Die bAV befindet sich im größten Umbruch seit Einführung der verpflichtenden Entgeltumwandlung im Jahr 2002. Mit Verabschiedung des Betriebsrentenstärkungsgesetzes am 07.07.2017 im Bundesrat ergeben sich ab Januar 2018 wesentliche Änderungen und Neuerungen. Ziel dieses Gesetzesvorhaben ist die Stärkung der bAV als 2. Säule der Altersvorsorge. Zusätzliche „Nebenwirkungen“ auf die bAV werden durch die EU-Mobilitätsrichtlinie, ebenfalls ab Januar 2018 und der FlexiRente (seit 01.07.2017) verursacht.

Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) – Teil 1: das müssen Sie zukünftig beachten:

Die neue Betriebsrentenform heißt Sozialpartner Modell oder Zielrente oder Nahlesrente. Neuerdings ist es wohl Mode, dass es zum guten Ton gehört, als zuständiger Arbeits- und Sozialminister sich mit einem Rentennamen zu verewigen, wer würde denn sonst noch Herrn Riester (Riesterrente) oder Herrn Eichel (Eichelrente) kennen?

Fakt ist, bisher war alles nicht das Gelbe vom Ei. Wird mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz und dem neuen Durchführungsweg Sozialpartnermodell alles besser?

Eckdaten zum Sozialpartnermodell:

  • Reine Beitragszusagen ohne Garantien
  • Umsetzung nur durch Tarifvertrag
  • Garantieverbot von Leistungen – Vereinbarung einer Zielrente
  • Keine Arbeitgeberhaftung mehr – Beiträge müssen entrichtet werden, jedoch keine Haftung für Leistungen
  • Möglicher zusätzlicher Sicherungsbeitrag durch Arbeitgeber zum Ausgleich für eventuelle Leistungs-schwankungen
  • Ausschließlich Rentenleistung vorgesehen – kein Kapitalwahlrecht
  • Verpflichtende Weitergabe des SV-Vorteils vom Arbeitgeber – mindestens 15 %
  • Eingeschränkte Portabilität – Einbahnstraße nur in Sozialpartnermodell, nicht in versicherungsförmige Durchführungswege nach § 3.63 EStG
  • Teilnahmemöglichkeit für nicht tarifgebundene Unternehmen, wenn sie sich dem Tarifmodell anschließen und der Tarif dies zulässt

Mit dem Sozialpartnermodell hat der Gesetzgeber ein völlig neues Feld der bAV geschaffen und macht es zum Spielball für Arbeitgeber und Gewerkschaften. Konkrete Lösungen sind derzeit nicht in Sicht, nicht zuletzt, weil manche Gesetzesformulierungen viel Spielraum in der Interpretierung lassen und Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften, sofern sie sich dieser Form öffnen, sicherlich noch länger verhandeln werden.

Oberflächlich betrachtet ist die bisherige Arbeitgeberhaftung mit diesem Modell vom Tisch, er bezahlt seine Beiträge und ist raus (pay and forget), so scheint es auf den ersten Blick. Aber Sicherungsbeiträge und eventuelle Sicherungsbeiträge bei Unterschreitung des Zielkorridors, machen die bAV nicht billiger.

Ein weiterer Punkt der zu beachten ist, Deutsche lieben Garantien. Beiträge zu bezahlen ohne konkrete Leistungen zu erhalten, werden sicherlich nicht einfach dem Mitarbeiter zu kommunizieren sein. Ob auf diese Weise eine höhere Durchdringungsquote und Akzeptanz der bAV erreicht wird, wird die Zukunft zeigen müssen. Fakt ist auf jeden Fall, dass der Informationsaufwand, Kommunikation und Administration einen erheblichen Mehraufwand erfordern werden, der nur durch professionelle und digitale Lösungen bewerkstelligt werden kann.

Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) – Teil 2: das geht alle an:

Das Gesetz zur Reform der Betriebsrente ist verabschiedet. Nun stellt sich Unternehmen und Beratern die Aufgabe der praktischen Umsetzung. Welche ersten Schritte sind jetzt nötig? Wie kann die neue Betriebsrente genutzt werden, um Mitarbeiter und Mitglieder zu gewinnen und zu binden?
Der Informationsbedarf ist hoch – es gilt einiges zu berücksichtigen:

Hier ein Kurzüberblick – ausführliche Informationen und Kommentierungen in unseren angebotenen Seminaren.

1. Verpflichtender Arbeitgeberzuschuss

  • Gilt für die Durchführungswege Direktversicherung, Pensionskasse und Pensionsfonds
  • Mindestens 15 %, sofern Sozialversicherungsbeiträge eingespart werden, dabei ist nicht entscheidend wieviel, sondern ob überhaupt
  • Gilt für alle neuen Umwandlungsvereinbarungen ab 01.01.2019
  • Gilt für bestehende Umwandlungsvereinbarungen spätestens ab 01.01.2022
  • Gilt für das Sozialpartnermodell ab 01.01.2018
  • Gilt auch für 40 b EStG – Verträge

 

2. Erhöhung der Steuerfreiheit von 4 % auf 8 % der Beitragsbemessungsgrenze (BBG)

  • Wegfall des bisherigen statischen Zusatzbeitrages, dafür dynamischer Zusatzbeitrag von weiteren 4 % der BBG
  • Sozialversicherungsfreiheit bleibt bei max. 4% der BBG
  • Keine Unterscheidung für Alt- oder Neuzusagen
  • Bisheriger 40b-Vertrag wird auf den Dotierungsrahmen angerechnet

 

3. Geringverdienerförderung

  • Der Gesetzgeber regelt in § 100 EStG wer ein Geringverdiener ist und legt die Messlatte auf
    2.200 € Brutto fest
  • Unter bestimmten Voraussetzungen, die im § 100 EStG geregelt sind, erhält der Arbeitgeber eine Förderung in Höhe von 30 % des Arbeitgeberbeitrages zu bAV
  • Der Mindestbeitrag der Förderung beträgt 240 € Jahresbeitrag und der förderfähige Höchstbeitrag beträgt 480 € Jahresbeitrag

 

4. Vervielfältigkeitsregelung

  • Aus Anlass des Ausscheidens eines Arbeitnehmers aus dem Dienstverhältnis konnte der Arbeitgeber bisher nicht ausgeschöpfte steuerfreie Einzahlungen in die betriebliche Altersversorgung nachholen.
  • Für diese Regelung gibt es eine neue, vereinfachte Berechnungsformel:
  • Bei Ausscheiden aus der Firma kann ein Betrag von 4 % der BBG, multipliziert mit der Zahl der Beschäftigungsjahre (max. 10), steuerfrei zum Zweck der bAV verwendet werden
  • Die bisherige Anrechnung von bereits gezahlten Beiträgen entfällt
  • Die Reglung ist gültig ab 01.01.2018
  • Gilt auch für Dienstjahre vor dem 01.01.2018
  • Wird sozialversicherungsrechtlich nicht flankiert

 

5. Nachzahlungsmöglichkeit

  • Diese Regelung ermöglicht eine rückwirkende Nachzahlung für Zeiträume, in denen das Arbeitsverhältnis ruht (längere Krankheit, Elternzeit, Sabbatical) und keine steuerfreien Beiträge entrichtet werden konnten
  • Gültig ab 01.01.2018
  • Förderrahmen max. 8 % der BBG, max. 10 Jahre

 

6. Riester in der bAV

  • Abschaffung der Doppelverbeitragung von SV-Abgaben
  • Zukünftig keine Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge auf die Rentenauszahlung
  • Erhöhung der Grundzulage von 154 € auf 175 € pro Jahr

 

7. Freibetrag bei der Grundsicherung

  • Für Leistungen wie bAV, Riester und Basisrente wird ab 01.01.2018 ein Freibetrag bei der Grundsicherung im Alter eingeführt
  • Dadurch erfolgt keine Anrechnung der vollen Leistung auf die Grundsicherung
  • Der Freibetrag beträgt aktuell 100 € + 30 % von 50 % der Regelbedarfsstufe 1 (aktuell 204,50 €)
  • Anrechnung nur auf Rentenzahlungen, die monatlich und lebenslang erbracht werden

 

8. Übertragung von Altersvorsorgevermögen im Laufe des Arbeitsverhältnisses

  • Ermöglicht eine steuerfreie Übertragung von Anwartschaften von einem externen Versorgungsträger auf einen anderen externen Versorgungsträger, auch bei einem fortbestehendem Arbeitsverhältnis (also ohne einen Arbeitgeberwechsel), sofern im Zusammenhang mit der Übertragung keine unmittelbaren Zahlungen an den Arbeitnehmer erfolgen. (§ 3, Nr. 55 c Satz 2 Buchstabe a EStG)
  • Die Übertragung erfolgt ohne Novation, wenn sich die vertraglichen Hauptpflichten (Versicherungssumme, Laufzeit , Absicherung der biometrischen Risiken) nicht ändern

 

9. Opting-Out-Modelle in der bAV – Automatische Entgeltumwandlung

  • Bei der automatischen Entgeltumwandlung werden Arbeitnehmer automatisch (also ohne dass sie dafür aktiv werden müssten) mit einer vorgeschlagenen Sparquote und vorgeschlagenen Anlageform in die arbeitnehmerfinanzierte betriebliche Altersvorsorge einbezogen, wenn sie sich nicht explizit dagegen entscheiden. Da in diesem Modell die betriebliche Altersvorsorge der Standard ist, aus der die Arbeitnehmer aber herausoptieren können, wird die automatische Entgeltumwandlung auch als Opting-out-Modell bezeichnet.
  • Durch dieses Prinzip soll die bAV weiter verbreitet werden.
  • Kann im Tarifvertrag vereinbart werden
  • Für KMU arbeitsrechtliche Bestimmungen beachten, aber möglich

 

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