Der Feinschliff der Betriebsrentenreform läuft. Die Abstimmungen zwischen den Ministerien gehen dem Ende zu und damit hat der Count-Down für einen Referentenentwurf begonnen. Der Entwurf, der ca. 60 Seiten umfassen soll, wird für Ende Oktober erwartet. Der Rahmen und auch einige Details wurden in den letzten Tagen auf Tagungen von den Vertretern der Ministerien (BMAS und BMF) skizziert. Hier ein Überblick – naturgemäß ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder Richtigkeit.

Das Sozialpartnermodell kommt

  1. Zielrente: Kernelement des Sozialpartnermodells ist die Möglichkeit zur „reinen Beitragszusage“, die nun den Namen „Zielrente“/defined ambition tragen wird. Die reine Beitragszusage ist tarifvertragsexklusiv.
  2. „Pay for forget“: Alle externen Sicherungsmodelle wie PSV, PSV II oder eine Staatshaftung sind vom Tisch. Diskutiert wird noch ein vom Arbeitgeber finanzierter „Puffer“, der wohl Sicherungsbeitrag heißen soll. Es handelt sich dabei um eine Art Aufschlag zum Beitrag, um die Volatilität der Kapitalanlage bei einer reinen Beitragszusage zu puffern. Es zeichnet sich ab, dass der Sicherungsbeitrag im Betriebsrentengesetz als Option der Tarifvertragsparteien („Kann“) verankert wird und die konkrete Ausgestaltung den Tarifvertragsparteien überlassen wird. Der Sicherungsbeitrag soll steuerlich außerhalb der Grenzen des § 3 Nr. 63 EStG flankiert werden.
  3. Opting-Out: Auch tarifexklusiv wird eine gesetzliche Regelung zum Opting-Out sein.
  4. Steuerung: Das Sozialpartnermodell soll in allen „versicherungsförmigen“ Durchführungswegen angeboten werden können. Voraussetzung ist allerdings, dass die Tarifpartner über eine Gremienvertretung an der Steuerung der Zielrente „teilnehmen“ können.
  5. Betriebsnorm: Die Einbindung von Nicht-Gewerkschaftsmitgliedern in den Betrieben soll über das Thema „Betriebsnorm“, bei denen betriebliche Fragen einheitlich für den ganzen Betrieb per Tarifvertrag geregelt werden, erreicht werden.
  6. Aufsichtsrecht: Es soll für die Zielrenten einen neuen „Rahmen im VAG“ geben, der durch eine umfassende Durchführungsverordnung präzisiert wird. Es soll u.a. Regelungen zur Kapitalanlage, Risikomanagement und den Informationen an den Arbeitnehmer geben.
  7. Solvency I/Solvency II: Einrichtungen der bAV, die eine Zielrente anbieten, fallen weiterhin unter Solvency I/IORP II, da keine Garantien angeboten werden. Versorgungsträger, die schon jetzt unter Solvency II fallen, bleiben auch mit der Zielrente unter dem Regime von Solvency II.
  8. Steuerliche Flankierung der Fusion von Versorgungseinrichtungen/Übertragung zwischen Einrichtungen im § 3 Nr. 55 EStG.

Steuerreform

Es gibt drei Schwerpunkte der steuerlichen Flankierung der Altersvorsorge: § 3 Nr. 63 EStG plus Förderbeitrag für Niedrigverdiener plus Verbesserungen bei Riester

  1. § 3 Nr. 63 EStG: Der Förderrahmen des § 3 Nr. 63 EStG wird von 4% der BBG auf wahrscheinlich 7% erhöht. Dafür entfallen der Aufstockungsbetrag von 1.800 EUR und die Unterscheidung zwischen Alt-/Neuzusage. Tatsächlich pauschalversteuerte Beiträge nach § 40 EStG a.F. werden gegengerechnet.

Der Vervielfältiger wird modernisiert. Es sind auch steuerlich flankierte Nachholungsmöglichkeiten für beitragsfreie Zeiten angedacht.

  1. Förderbeitrag für Niedrigverdiener: Der neue Förderbeitrag für Niedrigverdiener ist als eine eigenständige Förderung neben § 3 Nr. 63 EStG und der Riester-Förderung konzipiert. Die Einkommensuntergrenze steht noch nicht ganz fest. Im Raum stehen 2.000 EUR p.m. – unabhängig vom Beschäftigungsgrad. Der Förderbetrag greift ausschließlich bei arbeitgeberfinanzierter betrieblicher Altersversorgung, nicht bei Entgeltumwandlung. Für die Einkommensgrenzen soll auf eine monatliche Betrachtung abgestellt werden. Wenn ein Mindestbeitrag von 240 EUR p.a. (Höchstbetrag 480 EUR) eingebracht wird, erhält der Arbeitgeber über die Lohnsteueranmeldung 30 bzw. 33 % im Folgemonat gutgeschrieben.

Wichtig: Komplex wird es bei der Abgrenzung Alt-/Neuzusagen werden. Denn das BMF möchte Mitnahmeeffekt vermeiden und daher den Förderbeitrag nur für neue Arbeitgeberzusagen, also eine zusätzliche Förderung, gewähren.

  1. Verbesserungen bei Riester: Die leidige Rückforderung von Zulagen soll wohl zeitlich begrenzt werden. Abfindungen von Kleinstbetragsrenten sollen unter die Fünftelungsregelung des § 34 EStG fallen. Es ist eine Veränderung der Grund- und Kinderzulage geplant. Bei Wohnriester soll in besonderen Fällen die Selbstnutzungsphase unterbrochen werden können.

Sozialversicherungsfragen

  1. Grundsicherung: Es wird ein Freibetrag für „freiwillige“ Vorsorge kommen. Dies soll Riester, Basisrente, private Vorsorge und freiwillige Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung umfassen. Er gilt auch für Selbstständige. Im Gespräch ist wohl ein Freibetrag in der Höhe von 50 bis 200 EUR p.m.
  2. Verbeitragung in der Leistungsphase: Soll nur für bAV-Riester entfallen.
  3. Sozialversicherungsflankierung des § 3 Nr. 63 EStG: Es bleibt nach allen Aussagen bei der Flankierung der 4 % der BBG.

Der Erfolg des neuen Gesetzes soll künftig im Alterssicherungsbericht gemessen werden.

Der vorläufige Fahrplan

  • Ende Oktober: Referentenentwurf zur Anhörung der Verbände mit Vier-Wochen-Frist
  • Mitte bis Ende Dezember 2016: Kabinettsvorlage
  • März/April 2017: Abschluss des Gesetzesvorhabens (Zustimmungspflichtig im Bundesrat)

Dr. Henriette Meissner, Stuttgart

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