Immer wieder kommt es vor, dass ein Direktversicherungsvertrag im laufenden Arbeitsverhältnis gekündigt werden soll. Doch was passiert, wenn der Arbeitnehmer zwischen der Kündigung und der Auszahlung des Rückkaufwertes ausgeschieden ist? Mit dieser Frage hatte sich der Bundesgerichtshof (BGH, 08.06.2016 – IV ZR 346/15) zu befassen.

Der Fall

1994 schloss der (ehemalige) Arbeitgeber für den Arbeitnehmer eine Direktversicherung ab. Unwiderruflich Bezugsberechtigter war der Arbeitnehmer. Als Versicherungsablauf war der 30.11.2017 vereinbart.

Erster Akt:

Am 30.07.2013 bat der Arbeitnehmer den Versicherer um Kündigung und Auszahlung der Versicherungssumme zum 01.12.2013. Als Grund gab er eine langjährige Krankheit und eine daraus resultierende wirtschaftliche Notlage an. Der Arbeitgeber erklärte im selben Schreiben, dass er mit der Kündigung einverstanden sei – immerhin war er ja Versicherungsnehmer. Der Versicherer bestätigte die Kündigung.

Zwischenakt:

Doch dann kam es anders. Der Arbeitgeber erklärte mit Schreiben vom 31.10.2013, dass er der Kündigung widerspreche. Daraufhin teilte der Versicherer dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit, dass die Versicherung fortgeführt werde.

Nächster Akt:

Der Arbeitnehmer hatte die Kündigung der Direktversicherung wohl eingeklagt. Der Arbeitgeber erklärte nämlich mit Schreiben vom 30.12.2013/07.01.2014 erneut die Kündigung des Versicherungsvertrages (zum 01.12.2014). Denn durch Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 08.01.2014 war er auf Antrag des Klägers zur Kündigung des Lebensversicherungsvertrages verurteilt worden.

Und es ging weiter:

Am 07.01.2014 kündigte der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber fristlos zum 31.01.2014. Als der Versicherer vom Arbeitgeber über die Kündigung informiert wurde, verweigerte er die Auszahlung des Rückkaufswertes.

Darüber entbrannte ein Rechtsstreit zwischen Versicherer und (ehemaligen) Arbeitnehmer, der an „sein“ Geld wollte.

Das Urteil

Die Sache wurde an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Die obersten Richter hatten aber folgende Anmerkungen:

  1. Die erste ausgesprochene Kündigung, der der Arbeitgeber zustimmte, war wirksam. Denn der Arbeitgeber habe damit zwar die Kündigung nicht ausdrücklich selbst ausgesprochen, doch seine Einverständniserklärung zeige den eindeutigen Willen zur Beendigung des Versicherungsvertrages. Dabei kann die Erklärung zur Kündigung auch ausschließlich auf Wunsch des Arbeitnehmers abgegeben werden, ohne dass der Arbeitgeber ein eigenes Interesse an einer Kündigung hat.

 

  1. Während der laufenden Kündigungsfrist kann der gekündigte Versicherungsvertrag einvernehmlich zwischen den Vertragsparteien fortgesetzt werden. Das wirksam gekündigte Versicherungsverhältnis lebt dann aufgrund der Vereinbarung beider Vertragspartner wieder auf. Dabei ist es unerheblich für die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses, dass zugunsten des Arbeitnehmers ein unwiderrufliches Bezugsrecht bestand. Er musste der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht zustimmen. Denn bei einer Direktversicherung ist der Arbeitgeber gegenüber dem Versicherer der Inhaber aller Rechte und Pflichten aus dem Vertrag. Das betrifft insbesondere alle Verfügungs- und Gestaltungsrechte.
  2. Das unwiderrufliche Bezugsrecht des Arbeitnehmers ist nur darauf ausgerichtet, dass ihm seine Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag nicht mehr zugunsten eines anderen entzogen werden können. Diese Vermögenszuordnung wird aber durch die Vereinbarung einer Fortsetzung des Versicherungsvertrages nicht beeinträchtigt. Das Bezugsrecht des Arbeitnehmers bleibt nämlich unverändert bestehen.
  3. Ob Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag fällig werden, unterliegt während des Vertragsverhältnisses der Disposition von Versicherungsnehmer und Versicherer. Der bezugsberechtigte Arbeitnehmer konnte daher nicht die vorzeitige Beendigung des Versicherungsvertrages und die Auszahlung des Rückkaufswertes beanspruchen.
  4. Die Verfügungsbeschränkung nach § 2 Abs. 2 Satz 5 BetrAVG sperrt die Auszahlung des Rückkaufswertes nur dann, wenn die Kündigungserklärung des Versicherungsvertrages dem Versicherer erst nach dem Ausscheiden des versicherten Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis zugeht. Erhält der Versicherer die vom Arbeitgeber als Versicherungsnehmer erklärte Kündigung während des bestehenden Arbeitsverhältnisses, kann der Rückkaufswert auch an den inzwischen ausgeschiedenen Arbeitnehmer vom Versicherer ausgezahlt werden. Denn die Verfügungsbeschränkungen treffen nur den Arbeitnehmer als neuen Versicherungsnehmer nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis.
  5. Die obersten Richter weisen zu Recht darauf hin, dass für eine Liquidation der Anwartschaft im laufenden Arbeitsverhältnis – bei der der Arbeitnehmer den Arbeitgeber als Versicherungsnehmer veranlasst, den Versicherungsvertrag zu kündigen – eine Änderung bzw. Aufhebung der arbeitsrechtlichen Versorgungszusage zu treffen ist. Hier sperrt aber das Abfindungsverbot des § 3 Abs. 1 BetrAVG auch Abfindungsvereinbarungen im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Ausscheiden des Arbeitnehmers. Dann ist auch der Versicherer nicht verpflichtet den Rückkaufswert auszukehren. – Deshalb muss nun das Berufungsgericht klären, ob die Kündigungen des Versicherungsvertrages auf einer Abfindungsvereinbarung beruhen, die im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses steht.

Fazit

  1. Während das BMAS über die Verbreitung der bAV nachsinnt, findet gerade im Bereich der Niedrigverdiener die „Abstimmung mit den Füßen“ zugunsten einer vorzeitigen Auszahlung bei „Notlagen“ statt. Das wird dann auch durch entsprechende Entscheidungen der Arbeitsgerichte unterstützt. Der Arbeitgeber als Versicherungsnehmer muss dann die Kündigung des Versicherungsvertrages veranlassen und sollte eine entsprechende (arbeitsrechtliche) Abfindungsvereinbarung mit dem Arbeitnehmer treffen.
  2. Darauf werden sich künftig auch Insolvenzverwalter in Fällen der Privatinsolvenz stützen.
  3. Der Versicherer wird „frei“, wenn er zahlt, solange die Kündigung des Versicherungsvertrages noch innerhalb des bestehenden Arbeitsverhältnisses bei ihm eingeht. Doch genau dies wird er sich durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestätigen lassen müssen. Der Verwaltungsaufwand steigt.
  4. Ob auch der Arbeitgeber von seiner arbeitsrechtlichen Verpflichtung befreit wird, wenn er eine Abfindungsvereinbarung im laufenden Arbeitsverhältnis, das schon gekündigt ist, trifft, ist eher fraglich. Denn das Bundesarbeitsgericht hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass eine Abfindung im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unwirksam ist, weil sie gegen das Abfindungsverbot des § 3 BetrAVG verstößt. Im anhängigen Fall muss das nochmals die Vorinstanz klären. Arbeitgeber tun gut daran, beim Bestehen eines Zusammenhangs mit einer Kündigung, keiner Abfindung/Kündigung des Versicherungsvertrages zuzustimmen. Versicherer sind dann (wenn sie von diesem Zusammenhang Kenntnis haben) zu einer Zahlung des Rückkaufswertes nicht verpflichtet.
  5. Mit weiterer Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung ist auch dieses Thema hinreichend komplex, dass der Gesetzgeber hier Regelungen treffen sollte. Es kann doch nicht sozialpolitisch gewollt sein, dass hier zum einen Arbeitnehmer aufgrund von Notlagen/Privatinsolvenz ihre Betriebsrente beschädigen und zum anderen Arbeitgeber auf den Verpflichtungen sitzenbleiben, weil sie das Abfindungsverbot nach § 3 BetrAVG nicht immer im Auge haben.

Quelle: Gerichtsurteil BGH, 08.06.2016 – IV ZR 346/15

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