Erste Pensionskassen kommen aus der Deckung und informieren ihre Kunden

Auf der Jahrespressekonferenz warnte die BaFin vor Schieflagen bei Pensionskassen und orakelte über Manndeckung, Gespräche mit Trägerunternehmen/Aktionären und Schutzschirmen für den Arbeitnehmer. Wie immer wurden keine Namen genannt – immer ärgerlich für mögliche Betroffene, die erst, wenn es viel zu spät ist, reagieren können. Nun gibt es erste konkrete Informationen zu den Maßnahmen und den möglicherweise Betroffenen.

Wie erste Beispiele zeigen, gibt es mehrere Stufen:

  1. Interne Maßnahmen, die wohl eng mit der BaFin abgesprochen sind („Manndeckung“) und schon seit längerem umgesetzt werden.
  2. Im regulierten Bestand greift ein von der BaFin genehmigter Geschäftsplan. Die Versicherungsbedingungen dieser Verträge sehen eine mögliche Anpassung der Rechnungsgrundlagen für zukünftige Beiträge vor. Dies kann mit Genehmigung der BaFin geschehen.
  3. Eine Absenkung der Versicherungsleistungen nach § 314 VAG, der bestimmt: „Ergibt sich bei der Prüfung der Geschäftsführung und der Vermögenslage eines Unternehmens, dass dieses dauerhaft nicht mehr imstande ist, seine Verpflichtungen zu erfüllen, die Vermeidung des Insolvenzverfahrens aber zum Bestehen der Versicherten geboten erscheint, so kann die Aufsichtsbehörde das hierzu Erforderliche anordnen. Die Aufsichtsbehörde [kann], wenn nötig, die Verpflichtungen eines Lebensversicherungsunternehmens aus seinen Versicherungen dem Vermögensstand entsprechend herabsetzen. Die Pflicht der Versicherungsnehmer, die Versicherungsentgelte in der bisherigen Höhe weiterzuzahlen, wird durch die Herabsetzung nicht berührt.
  4. Eine Übernahme der Verträge durch den Sicherungsfonds Protektor.

Eingriff in vereinbarte Rechnungsgrundlagen – im regulierten Bestand:

Die neue leben Pensionskasse

Die neue leben Pensionskasse AG (Anteilseigner sind die Talanx Deutschland AG und acht große Sparkassen – Hamburger Sparkasse, Die Sparkasse Bremen, Mittelbrandenburgische Sparkasse, Kreissparkasse Köln, Sparkasse Hannover, Nassauische Sparkasse, Frankfurter Sparkasse, Stadtsparkasse Düsseldorf) informiert gerade ihre Kunden darüber, dass sie aufgrund der Niedrigzinsphase und des geringen Bestandes mit hohem Rechnungszins geeignete Maßnahmen getroffen hat, damit sichergestellt ist, dass sie auch in entfernter Zukunft ihren Verpflichtungen nachkommen kann. Ursache ist, dass die Politik zuerst 2002 die Pensionskassen öffnete und sie dann durch die Rentenreform 2005 de facto unattraktiv machte. Danach hielt sich der Neuzugang in überschaubaren Grenzen.

Bisher umgesetzte Maßnahmen sind:

  • Kostensenkung um ca. 30 %;
  • Vollständige Einzahlung von gezeichnetem Kapital iHv. 14,25 Mio. EUR;
  • Mit Genehmigung der BaFin: Unterzeichnung von Nachrangdarlehn mit der neue leben Lebensversicherung AG in Höhe von 12,5 Mio. EUR;
  • Seit 2012 werden Überschüsse nicht zur Ausschüttung an Aktionäre, sondern stets zur Stärkung der Eigenmittel verwendet.

Nach Auskunft der neue leben Pensionskasse erfolgten diese Maßnahmen nicht „unter Manndeckung der BaFin“. Es handele sich um interne Maßnahmen, die in den vergangenen Jahren vorausschauend mit Blick auf die anhaltende Niedrigzinsphase umgesetzt wurden. Die Initiative, so die neue leben Pensionskasse, ging und geht von der neue leben Pensionskasse AG aus. Die Maßnahmen wurden mit der BaFin besprochen und – soweit derzeit erforderlich – durch die BaFin genehmigt.

Diese internen Maßnahmen reichen offenkundig nicht, denn nun kommt es zu Einschnitten in bestehende Verträge. Betroffen ist der regulierte Bestand. Die betroffenen Verträge im regulierten Bestand sind durch einen von der BaFin genehmigten Geschäftsplan geregelt. Die Versicherungsbedingungen dieser Verträge sehen eine mögliche Anpassung der Rechnungsgrundlagen für zukünftige Beiträge vor. Diese Regelung kommt nun zum Zuge.

Insofern muss nicht auf § 314 VAG zurückgegriffen werden.

Die im Tarif der regulierten Bestände vorgesehene Anpassung der zukünftigen Beiträge wird nun, so die neue leben Pensionskasse, mit Genehmigung der BaFin ab 01.01.2017 umgesetzt. Die Rechnungsgrundlagen für zukünftige Beiträge werden bei Verträgen, die im regulierten Bestand von 2002 bis 2005 abgeschlossen wurden, angepasst:

  1. Ab 2017 beträgt der Rechnungszins für zukünftige Beiträge in Klassiktarifen 1,25 %; gleichzeitig werden die Sterbetafeln DAV2004R verwandt. Die Änderung betrifft keine Deckungsrückstellungen der betroffenen Verträge.
  1. Für fondsgebundene Tarife werden die Beitragsteile für die Beitragserhaltungsgarantie mit unverändertem Rechnungszins fortgeführt, aber der Rentenfaktor wird auf die neuen Rechnungsgrundlagen angepasst.

Die betroffenen Verträge werden also in zwei Teilen geführt: der schon bestehende Teil bis 2016 mit alten Rechnungsgrundlagen, der neue Teil mit neuen Rechnungsgrundlagen. Nicht betroffen sind ab 2006 abgeschlossene Verträge im deregulierten Bestand. Bestehende Guthaben und laufende Renten sind ebenfalls nicht betroffen.

Was heißt das für betroffene Arbeitgeber? Es wird nicht informiert über die arbeitsrechtlichen Konsequenzen. Denn die Absenkung wird sich natürlich auch auf die Rentenhöhe auswirken. Wird die Zusage des Arbeitgebers noch bedeckt von den Leistungen des Versicherungsvertrages? Oder kommt es zu einer Einstandspflicht des Arbeitgebers bei Eintritt des Versorgungsfalles? Arbeitgeber sind gut beraten, dies mit der neue leben Pensionskasse zu klären und sich auch unabhängigen Rechtsrat einzuholen. Dem Vernehmen nach hat die neue Leben Pensionskasse im Vorfeld der Maßnahme in einem ausgiebigen internen und externen Prüfungsprozess rechtliche Gutachten eingeholt und geht grundsätzlich davon aus, dass der Arbeitgeber im Fall der Anpassungen der Rechnungsgrundlagen nicht weitergehend haftet. Allerdings darf man davon ausgehen, dass die betroffenen Versorgungsberechtigten dies gerichtlich überprüfen lassen.

Die BVV Pensionskasse

Der BVV, das Branchenversorgungswerk der Banken und Finanzdienstleistungsinstitute – ein ganz großer der Branche, ist ebenfalls betroffen. Gemessen am verwalteten Vermögen ist der BVV Deutschlands größte Pensionskasse. Auf den Mitgliederversammlungen am 24.06.2016 des BVV steht ähnlich wie bei der Neue Leben Pensionskasse ein Eingriff in die alten Tarife mit 4 % Rechnungszins auf der Tagesordnung. Diese Maßnahmen sind sicherlich im Vorfeld mit der BaFin abgestimmt.

Hintergrund: Rund zwei Drittel der jährlichen Beiträge fließen in Tarife mit einem Rechnungszins von 4 %. Unter den aktuellen, durch anhaltend niedrige Zinsen gekennzeichneten, wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ist dieses Renditeniveau nicht mehr erreichbar. Daher schlägt der BVV seinen Mitgliedern vor, in den Tarifen mit einem Rechnungszins von 4 % die aus zukünftigen Beiträgen resultierenden Zinsverpflichtungen zu reduzieren. Die bis zur Änderung erworbenen Rentenbausteine bleiben unberührt. Die Absenkung des Rentenniveaus beträgt rund 30 %.

Hierfür müssen mit Genehmigung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die Bedingungen der entsprechenden Tarife und Leistungspläne geändert werden. Die rechtliche Grundlage, Änderungen in bestehenden Versorgungsverhältnissen vornehmen zu dürfen, ergibt sich aus den Satzungen und Bedingungen des BVV.

PS.: Auch hier ist zu klären, ob eine arbeitsrechtliche Einstandspflicht des Arbeitgebers ausgelöst wird. Der BVV weist darauf hin, dass bei unveränderter Beitragszahlung durch die neuen Rentenfaktoren eine Leistungsdifferenz entsteht. Im bestehenden Vertrag kann ein zusätzlicher Beitrag gezahlt werden, bis maximal wieder die Rente erreicht ist, die sich mit den ursprünglichen Rentenfaktoren ergeben hätte. Den zusätzlichen Beitrag können Mitgliedsunternehmen und/oder Mitgliedsangestellte zahlen. Auch sog. freiwillig Weiterversicherte haben die Möglichkeit zum Ausgleich.

Die Pensionskasse der Novartis Pharma GmbH

Im Handelsblatt wird am 18.05.2016 darauf hingewiesen, dass auch die vom Arbeitgeber getragene Novartis Pensionskasse unter „Manndeckung“ der BaFin seit 2013 ihre „Risikotragfähigkeit“ stärkt. Es handelt sich um eine kleinere Pensionskasse mit ca. 170 Mio. EUR Vermögen.

  • Das Management wurde an den Unternehmensberater Willis Towers Watson ausgelagert;
  • Restrukturierung der Kapitalanlagen;
  • Bildung von pauschalen Rückstellungen;
  • Ein Nachrangdarlehn des Trägerunternehmens iHv. 3 Mio. EUR;
  • Zusätzliche Beiträge des Trägerunternehmens;
  • Abzinsung der Betriebsrenten mit einem realistischen Zinssatz. Statt 3,5 % muss innerhalb von

15 Jahren ein Zinssatz von 2,55 % erreicht werden.

Schließen für den Neuzugang – Die ERGO Pensionskasse

Wie am 06.09.2015 der ERGO-Vorstand Muth in einem Interview der Süddeutschen Zeitung schon angekündigte, hat die ERGO Pensionskasse damit begonnen, ihre Gruppenvertragskunden anzuschreiben und die Gruppenverträge zu kündigen: Neuanmeldungen sind nicht mehr möglich. Begründet wird dies mit der Niedrigzinsphase, denn man könne Neuanmeldungen wegen der niedrigen Zinsen nur Versicherungen mit einer niedrigen Rendite anbieten. Noch nicht absehbar ist allerdings, ob auch diese Schließung für den Neuzugang in Zusammenhang mit der „Manndeckung“ der BaFin zu sehen ist und ob noch weitere Maßnahmen geplant sind. Ein Schließen der Bestände für den Neuzugang könnte als erster Schritt in einen Run-off gedeutet werden.

Für den betroffenen Arbeitgeber heißt dies zunächst „nur“, dass er für Neuzugänge eine Alternative finden muss. Ob dafür der Durchführungsweg Pensionskasse noch erste Wahl ist, ist fraglich. Denn für Arbeitnehmer ist spätestens nach einem Ausscheiden aufgrund der Verbeitragung der Leistungen die private Fortführung der Pensionskasse nicht mehr attraktiv. Und auch andere Pensionskassen leiden unter der zu kurzen Blütezeit von 2002-2005, die zu kleine Bestände mit zu hohen Verpflichtungen hinterließ.

Fazit: Leider hat auch diesmal die Aufsicht eine Schieflage nicht verhindern können, obwohl die Niedrigzinsphase und deren möglichen Kollateralschäden schon länger absehbar sind. Ursache ist aber nicht nur die Niedrigzinsphase, sondern zum einen die sprunghafte Politik, die 2002 die Pensionskassen, die häufiger von Versicherern neu gegründet wurden, für das Massengeschäft öffnete und dann durch das Alterseinkünftegesetz de facto das Geschäft zur Direktversicherung zurückkanalisierte. Damit blieb es vielfach bei (zu) kleinen Beständen und dies dann noch zu hohen Rechnungszinsen, die durch wenig Neuzugänge nicht mehr abgefedert werden können. Außer Spesen nichts gewesen!

Eine weitere Ursache ist hausgemacht: Die BaFin hat lange, vielleicht zu lange, noch Rechnungszinsen, die zum Teil weit über dem Höchstrechnungszins der Versicherer lagen, bei regulierten Einrichtung der bAV (EbAV) genehmigt. Das Erwachen ist nun bitter.

Die jetzt sichtbaren Maßnahmen kommen kurz vor dem „Rentenwahlkampf“ zur Unzeit. Sind sie doch geeignet, das Vertrauen in die zweite Säule der Altersversorgung zu erschüttern. Den Schaden haben betroffene Arbeitnehmer, aber auch Arbeitgeber, die möglicherweise in die Einstandspflicht kommen werden.

 

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